Warum ist es bloß so schwer, sich und sein Verhalten zu verändern?
Expertentipp Nr. 158

Wir kennen das alle: Immer wieder einmal sieht oder beobachtet man einen Menschen – vielleicht einen besonders beeindruckenden oder erfolgreichen Zeitgenossen, jemanden, den man sich gern zum Vorbild nehmen würde – und denkt sich: Das, was dieser Mensch so außergewöhnlich beherrscht, das möchte ich auch können. Oder man nimmt sich beispielsweise in einer Ausbildung vor, ein bestimmtes Verhalten in Zukunft verstärkt einzusetzen. Und was geschieht dann meistens? Man scheitert innerhalb kürzester Zeit gnadenlos. Warum ist das so?
Menschliche Lernprozesse sind komplex und können auf vielen Ebenen gestört werden. Bereits im Bereich der Wahrnehmung liegen einige Fallstricke begraben: Habe ich ein möglichst objektives Bild von meinem eigenen Verhalten, meinen Stärken und Potentialen, oder gehe ich einigen Verzerrungen oder blinden Flecken auf den Leim? Habe ich mein angestrebtes Verhaltensziel in möglichst allen seinen Aspekten auch gut erkannt?
Gehen wir einmal davon aus, ich habe ein ganz gutes Selbsteinschätzungsvermögen und auch eine ziemlich realistische und möglichst konkrete Vorstellung von dem, was ich lernen möchte. Nehmen wir ein Beispiel, welches Sie als VerkäuferIn und/oder BeraterIn aus dem Verkaufsalltag kennen: Ich möchte meinen Kunden ab sofort viel mehr offene Fragen stellen, um sie gedanklich leichter auf die Reise schicken zu können. Nichts leichter als das! Ich nehme mir das vor und dann geht das schon, Punkt! Sie vermuten natürlich schon, was nun kommt: So ein Vorhaben klappt gerade einmal so lang gut, wie man daran denkt. Spätestens beim dritten Kundenbesuch am Tag und mit der entsprechenden Müdigkeit im Gepäck verabschieden sich gut formulierte offene Fragen tendenziell rasch wieder aus meinem Repertoire.
Was wir hier sehen, ist eine ganz natürliche Funktionsweise des Gehirns. Wir denken und verhalten uns in Gewohnheiten. Und das ist grundsätzlich auch gar nicht negativ, sondern vielmehr weitgehend nützlich. Dadurch, dass viele unserer geistigen Prozesse in Gewohnheiten – halbautomatisch sozusagen – ablaufen, haben wir neurologische Ressourcen übrig für Dinge, die unsere volle Aufmerksamkeit benötigen. Interessanterweise haben östliche Philosophien bereits vor 2500 bis 3000 Jahren durch konzentrierte Selbstbeobachtung viel von dem erkannt, was die moderne Gehirnforschung in den letzten 20 Jahren über die Zusammenhänge von Denken, Gewohnheit und Verhalten (wieder) herausfand. Wir bilden durch bestimmte Denk- und Verhaltensweisen neurologische Spuren aus. Je häufiger wir diesen Denkweisen folgen, desto fester oder tiefer wird die Spur. Irgendwann ist sie so tief, dass wir praktisch automatisch in sie hineinfallen, wenn wir in ähnliche Situationen kommen: Eine Gewohnheit hat sich herausgebildet. Das Denken, der Geist, kippt sozusagen ganz automatisch in eine bestimmte Richtung, ohne dass wir etwas aktiv dazutun müssten.
Wie kann man nun etwas Neues lernen – oder noch schwerer – eine bereits vorhandene Gewohnheit „umlernen“? Nun, wir können uns die Veränderbarkeit unseres Gehirns zu Nutze machen. Wir müssen eine neue neurologische Spur legen. Man kann sich das in etwa so vorstellen, wie eine erste Spur, die man beispielsweise über eine hohe Wiese oder in den Tiefschnee läuft. Das erste Mal Laufen ist richtige Arbeit. Beim zweiten Mal ist es ein wenig leichter, aber immer noch ungewohnt und mühsam. Immer wieder laufen wir auf dieser gleichen Spur – und mit der Zeit wird daraus ein ausgetretener Weg. Und sind wir diesen Weg richtig oft gegangen, wird es der am besten ausgetretene Weg auf der ganzen Wiese. Wenn wir jetzt auf die andere Seite der Wiese gelangen wollen, werden wir ganz automatisch unseren neuen Weg nehmen. Wir haben eine neue Gewohnheit gelernt! Die neurologischen Vorgänge in unserem Gehirn beim Lernen sind natürlich sehr viel komplizierter, folgen aber dem gleichen Prinzip wie der Entstehung unseres Weges über die Wiese.
Was man daran allerdings sieht ist: Kein neuer Weg ohne oftmaliges Laufen. Oder anders ausgedrückt: Neue Gewohnheiten entstehen durch Übung, Übung, Übung. Da kommt der Mensch mit der Art und Weise, wie seine neurologische Zentrale funktioniert, nicht drum herum. Die gute Nachricht ist aber: Veränderung ist vielleicht manchmal mühsam, man benötigt vielleicht optimale Hilfsmittel und Techniken, um am Thema immer wieder „dran zu bleiben“, kurz: Veränderung benötigt ihre Zeit… UND… sie ist möglich!
Ihr Peter Pokorny
Wirtschaftspsychologe und Vorstand der VBC Medien AG
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