Expertentipp Nr. 108: Sex sells

Böse Zungen behaupten ja, die Kreativität des Marketings – und hier vor allem der Werbung – beschränke sich auf gerade einmal vier verschiedene Arten von Inhalten, die seit jeher eingesetzt werden um potentielle Kunden anzulocken: Kinder, Tiere, Humor, Sex. Und aus.
Das ist natürlich eine grobe Vereinfachung, Marketing ist eine hochkomplexe Angelegenheit und selbstverständlich gibt es auch noch viele andere Inhalte und Werte, deren sich Werbung bedienen kann. Dinge wie Sicherheit, Vertrauen, Freiheit, Stärke und vieles mehr. Dennoch ist der Anteil der oben erwähnten vier Faktoren signifikant. Ein bewusster Blick in den allabendlichen TV-Werbemarathon beweist dies eindrucksvoll. Und gerade der Anteil erotischer Inhalte und Signale, mal subtiler, mal ziemlich offen, mal geschmackvoller oder mal auch peinlich primitiv, nimmt in unserer westlichen Kultur immer weiter zu.
Auch wenn Studien zeigen, dass Sex in der Werbung in keinster Weise ein Garant für eine erfolgreiche Verkaufsförderung ist, so erzeugt er zweifellos Aufmerksamkeit. In der Werbung spielt Sex also eine große Rolle. Im Verkauf gar nicht. Oder etwa doch?
Obwohl Sexualität in der Interaktion und Kommunikation des Menschen ständig einen signifikanten Einfluss darstellt - viel stärker jedenfalls als uns unsere Wahrnehmung offenbart, da diese Prozesse zumeist unbewusst stattfinden – gibt die moderne Verkaufsforschung noch nicht so viel an ernstzunehmenden Beiträgen zu diesem Thema her. Die bekanntesten Studien der letzten Jahre haben sich mit dem Einfluss der Attraktivität von Verkäuferinnen (warum eigentlich nicht auch von Verkäufern?) auf den Verkaufserfolg beschäftigt. Hierbei zeigt sich, dass eine hohe Attraktivität von Verkäuferinnen (und noch mehr ein „sexy“ Outfit) zu verminderten Verkaufserfolgen bei weiblichen Käuferinnen führt. Erklärt wird dies in der soziologischen Forschung mit unbewusstem Konkurrenzverhalten, dann nämlich wenn frau ihr Gegenüber als attraktiver einschätzt als frau sich selbst sieht. Bei männlichen Kunden – wenig überraschend – haben sehr attraktive Verkäuferinnen keinen nachteiligen Effekt auf den Verkaufserfolg.
Wenn man den Begriff Sexualität weiter fasst, findet man eine Forschungsrichtung mit sehr spannenden Erkenntnissen, und zwar die sogenannte Genderforschung (auf Deutsch die „Geschlechterforschung“). Hier zeigen viele Studien eindrucksvoll, wie sehr wir Menschen über eine geschlechtsspezifische Wahrnehmung verfügen und wie stark unser Denken und Verhalten durch unser Geschlecht beeinflusst wird. Die Ursachen für diese Unterschiede reichen von biologischen Einflüssen durch z.B. hormonelle Mechanismen bis hin zu kulturell geprägten Rollenauffassungen. Frauen und Männer haben unterschiedliche Erwartungen, auch an einen Verkaufsprozess, nehmen Dinge mit unterschiedlicher Gewichtung wahr, haben unterschiedliche Bedürfnisse an die Kommunikation mit dem/der VerkäuferIn und verfügen über unterschiedliche Entscheidungsprozesse. Ja, dies geht sogar so weit, dass man feststellen konnte, dass Kundinnen Unehrlichkeiten des Verkäufers / der Verkäuferin besser wahrnehmen können als Kunden. Und auch Aspekte der zwischenmenschlichen Sexualität spielen hier natürlich eine Rolle – dann etwa, wenn Kundinnen ein durchschnittlich höheres Bedürfnis nach Privatsphäre haben als Kunden, man denke z.B. an die innerhalb eines Geschäftes örtliche Positionierung von Artikeln, die als sehr persönlich, privat oder sogar intim empfunden werden, oder an das notwendige Taktgefühl eines Modeberaters.
Ein einfaches Hausrezept für den Verkäufer bzw. die Verkäuferin aus all diesen Untersuchungen lässt sich hier nicht zusammenfassen, zu komplex ist das Thema. Als erster Schritt wäre es sehr hilfreich, wenn wir als VerkäuferInnen geschlechtsspezifische Bedürfnisse unserer KundInnen vorurteilsfrei zu erkennen versuchen, um dann entsprechend passend agieren und kommunizieren zu können. Jedenfalls aber sollten wir uns bewusst werden, dass auch unser eigenes Handeln stark geschlechtsspezifisch geprägt ist und somit nicht zwangsläufig der Welt unseres Gegenübers – unserer Kundin oder unseres Kunden – entspricht.
Ihr
Peter Pokorny
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